Wir sind auf dem Heimweg nach dem Osterbesuch bei meiner Mutter (Marmorkuchenmassaker) und des Liebsten Eltern (Burger-vom-Grill-Massaker). Wir sind vollgefressen, es wird dunkel, als Beifahrerin darf ich in die Gegend schauen und sehe eine Ricke auf dem Feld und die Osterfeuer am Horizont. Hoffentlich haben die alle ihre Holzstapel vorher noch mal umgeschichtet, denke ich.
Mir kommt eine Idee. So eine, die man in den Zettelkasten wirft, um sie eines Tages rauszuziehen und zu schreiben. Eine, die als Initialzündung taugt, eine RICHTIG, RICHTIG gute Idee. Keine, mit der man sich rumquälen muss. Leider ist sie für einen Krimi, und bis vor zwei Wochen habe ich steif und fest behauptet: „Ich kann keine Krimis und werde sie nie schreiben.“
Dann kam Stephen King. Besser gesagt: sein Buch „On Writing“, auf Deutsch „Über das Leben und das Schreiben“.
Ich habe nie viel Stephen King gelesen. Okay, vor zwanzig Jahren hab ich einige aus dem Regal meiner Schwester gemopst („Carrie“, „Friedhof der Kuscheltiere“, „Die Augen des Drachen“) und ja, verschlungen hab ich sie auch. Aber irgendwie dachte ich, damit meine King-Phase abgeschlossen zu haben. Ich wandte mich anderer Lektüre zu.
Der Liebste liest nicht so viel, er hört lieber. Je länger, um so besser, niemals in gekürzter Hörfassung. Stephen King gehört zu seinen Favoriten, aber nur, wenn er von David Nathan gelesen wird. Kein Scherz! Da ist er Gewohnheitstier. Mein Berührungspunkt mit Stephen King war also in den letzten Jahren vor allem, wie der Liebste mir die Geschichten nacherzählte, die er hörte (und das machte er sehr gut und spannend, das habe ich gerne gehört, es war natürlich deutlich kürzer als die 30 Stunden Hörbuchfassung. Und anders als beim Hörbuch bin ich nicht dabei eingeschlafen.).
Kürzlich hatte ich Lesekrise, und um wieder rauszukommen, dachte ich mir, ich könnte ja auf die Lesehelden meiner Jugend zurückgreifen. Also kaufte ich das Neueste von King, „Revival“, begann zu lesen und mochte es sehr. Jedenfalls mochte ich es viel mehr als die anderen Sachen, die ich zuletzt las. Und dann fiel mir ein, dass King ja auch mal dieses Buch übers Schreiben geschrieben hat. Dank Lesegerät kann einem sowas ja auch mitten in der Nacht einfallen und eine Minute später fängt man an zu lesen. (Ich begrüße diese Form des Lesekomforts sehr!) Also lud ich „Über das Leben und das Schreiben“ runter und fiel hinein.
Und lernte und staunte und quiekte verzückt und war danach in Mr. King verliebt.
Er gab mir etwas, das mir bisher niemand geben konnte. Das Gefühl, in meiner Arbeitsweise normal zu sein.
Ich habe in den letzten fünfzehn Jahren zu viele Planer getroffen. Zu viele, die sich an einen Kapitelplan halten, die manisch plotten und sich dann an diesem Gerüst entlang hangeln. Ich hab das wirklich versucht. Aber, um mit King zu sprechen: damit kriegte ich meine Fossilien partout nicht aus der Erde. Es ging immer nur, wenn ich mich drauf stürzte, ins Buch fiel, wenn ich wie eine Verrückte schrieb und mich ums Überarbeiten später kümmerte. Das ließ der Zeitplan selten zu, ich machte zu lange Pausen, das Schreiben hielt viele unglückliche Phasen für mich bereit.
Und jetzt also kommt der Großmeister der Spannung daherspaziert, guckt mich schief an, ja, mich, ich fühlte mich so sehr von ihm angesprochen!, und er erklärte mir, das sei alles prima, wie ich es mache, so arbeitet er nämlich auch. Dass eine Idee zur nächsten führt, dass die Handlung sich von den Protagonisten getrieben entwickelt und (important, important!) diese Protagonisten am Anfang auch so fremd sind wie nur irgendwas und er sie erst im Schreibprozess kennenlernt. Keine Vorarbeit. Hinsetzen und schreiben wie eine Wahnsinnige. Mehr nicht.
Als ich dann heute Abend diese wunderbare Zettelkastenidee (für einen Krimi of all things!) habe, notiere ich sie. Hebe sie auf, bis ihre Zeit gekommen ist. Ich dachte ja bisher, Krimis kann ich nicht, weil ich vorher planen muss.
Muss ich gar nicht. Ich hab ein Thema, eine Idee. Der Rest ergibt sich beim Schreiben.