Die Hände ruhen auf der Tastatur. Zögerlich und nicht ganz sicher, ob das, was ich jetzt schreiben werde, wirklich in die weite Welt gehört oder doch in die Enge einer blauen Kladde, in die ich mich mit den Gedanken immer häufiger zurückziehe.
Und dann, naja: warum nicht in die Weite des Webs? Dorthin habe ich lange Jahre sehr viel geschickt, und es kam ebenso viel zurück. Manchmal sogar so viel mehr.
Aber letztes Jahr bin ich erst verstummt und habe mir dann dieses Jahr eingeredet, ich hätte das Wort wieder ergriffen. Ich habe es vor mir behauptet und habe es versucht, mit Einträgen auf dieser Seite zu unterfüttern. Und dann machte ich dieses kleine, traurige Blog zu, verbannte es auch wochenlang aus meinen Gedanken, obwohl das schwer möglich ist, wenn man nach den richtigen Worten sucht und sie nicht findet. In Gedanken schrieb ich Dutzende Blogeinträge, Hunderte, und keiner hat’s auf die virtuelle Bühne geschafft, weil sie mir allesamt zu falsch in den Ohren klangen. Das bin nicht ich. Oder: sie erkennen dich nicht wieder, wenn du jetzt so erzählst und nicht, wie sie es von dir gewohnt sind.
Außerdem findet so vieles inzwischen drüben auf Twitter statt, und so vieles ist kaum gesagt, schon wieder am unteren Ende der Aufmerksamkeitsspanne verschwunden. Das kann man machen, wenn man gern gleich wieder aus den Gedanken der Menschen verschwindet. Mir war das in den letzten 18 Monaten nur recht; ich wollte selbst gern aus meinen eigenen Gedanken verschwinden. (die Unmöglichkeit dieser Übung werde ich ein anderes Mal aufgreifen. Ganz so unmöglich, wie es klingt, ist es dann doch wieder nicht.)
Aber ich sitze hier, und ich schreibe. Ich habe in der Zwischenzeit Bücher geschrieben, zwei, auf die ich stolz bin, ein weiteres, das so nie das Licht der Welt erblicken wird und zwei andere, nun ja. Die ich nicht als Jugendsünden verbuchen möchte, die ich aber in einer Schublade ablege, die ich inzwischen geschlossen habe. Ein Lebensabschnitt beendet, ein Kapitel beschlossen, es geht weiter. Wohin genau, das ist so ganz klar noch nicht; ich finde mich noch.
Die Worte sind da, ich muss sie nur in der richtigen Reihenfolge aufs Papier bringen.
Eine Zeitlang habe ich gedacht, ich hätte meine Geschichte hier erzählt. Meine Geschichte war: ich werde Schriftstellerin. Ich hab das geschafft; ich war zäh und hab gekämpft, ich ließ nicht nach, ich hab mich oft verirrt. Inzwischen steht dieses Jahr dafür, dass ich angekommen bin in dem, was ich immer wollte; ich dachte daher, meine Geschichte sei zu Ende. Und wer will schon den zweiten Teil lesen, eine Fortsetzung, die so öde ist, dass es dem Leser die Augen verdreht? Ich wollte sowas nicht mal schreiben.
Trotzdem sitze ich hier. Nein, gerade deswegen. Denn die Geschichte ist nicht zu Ende; ich wollte Schriftstellerin werden. Das ist nicht die große Kunst. Sie liegt darin verborgen, seine Geschichten auch weiterhin zu finden, ihnen treu zu bleiben, sich den Erfahrungen zu stellen, die dieser Beruf jeden Tag aufs Neue mit sich bringt. Erfahrungen, die nicht immer leicht sind, Entscheidungen, die gefällt werden müssen. (schreibe ich jetzt marktkonform mit glücklichem Ende? Oder scheiß ich drauf und schreib ein Ende, das mir das Herz in Fetzen haut und das meine Lektorin mir unter die Nase reibt, weil es unmöglich ist? Oder irgendwas dazwischen?)
Ich kann hier nicht absolut ehrlich sein. Aber ich kann versuchen, meine Geschichte fortzuschreiben. Mit meinen Worten, meinen Erlebnissen, meiner Stimme. Die sich verändert hat, mag sein. Sie ist ein bisschen kratziger geworden, kantiger und nicht mehr gar so glattgestriegelt. Wenn das so ist, bin ich froh. Wenn nicht – nun ja.
Ich übe noch.
Die Geschichte vom „Werden“ ist doch nie zu Ende…
Aber doch! Jede Geschichte ist irgendwann zu Ende erzählt. Sonst könnt‘ ich meine Bücher ja nie als fertig bezeichnen … ;-)