Auch das habe ich jetzt begriffen, und ich verinnerliche es, während meine kreativen Muskeln sich dehnen und strecken.
Stephen King sagt (sinngemäß), man solle jeden Tag schreiben. Jeden. Verdammten. Tag.
Ein bestimmtes Pensum soll’s schon sein. Er schreibt 2.000 Wörter, aber für einen Anfänger sei’s absolut okay, mit 1.000 pro Tag zu beginnen. Man muss sich diese Zeit freischaufeln und dann konsequent dranbleiben.
Ich betrachte mich nach sechs Romanen (und viel, viel anderem Kram!) nicht als Anfänger. Andererseits habe ich fast zwei Jahre so gut wie gar nichts geschrieben, weshalb mich normalerweise der Gedanke, ein Manuskript über 75.000 Wörter zu schreiben, abschrecken sollte bis zum „ich schaff das niemals!“ – was es nicht tut, übrigens. Bricht man es in kleine 2.000-Wörter-Pensumhäppchen, sind das ja nur 38 Tage. Nicht mal zwei Monate, nur anderthalb Monate, wenn man zwischendurch auch mal Hänger hat und an schlechten Tagen höchstens 1.500 schreibt. (was der Großmeister eigentlich verbietet, aber hey!) Selbst mit 1.500 Wörtern pro Tag wären das immer noch unter zwei Monate.
Und ich dachte, probierst du’s mal. Eben nicht mit den 1.000 Wörtern für den Anfänger, sondern den 2.000 Wörtern eines Vollprofis. Und etwas Erstaunliches passiert.
Ich habe ein Manuskript begonnen. Die Idee war da, der Rest kam wie eine Welle über mich. Ich schrieb los, mit dem Ziel von 2.000 Wörtern pro Tag. Am ersten Tag scheiterte ich kläglich und schrieb nur 500. Dachte mir aber, jemine, so ein Drama ist es nicht, war auch abends, und da ist eher die Schreibzeit für die Galerie (darauf gehe ich später noch ein). Der Tag zählte also nicht. (Es ist schier erstaunlich, welche Tage alle nicht zählen, wenn man erstmal damit anfängt, Wörter zu zählen!) Aber immerhin, ich hatte geschrieben, und nachdem ich zwei Wochen durch mehrere Manuskripte mäandert war, schien ich hier das eine gefunden zu haben, das ich zu Ende schreiben wollte. Hoffte ich.
Am nächsten Tag begann ich zu der Zeit, von der ich wusste, dass sie zu meiner besten Schreibzeit gehört. Morgens! Ich weiß, das ist ein Luxus, den sich nur die Allerwenigsten leisten können – morgens schreiben, göttlich! Ich schrieb, schrieb, schrieb, kam ins Stocken, schaltete Anti-Social ein, geriet in einen Rausch und stieg irgendwann, 2.300 Wörter später, aus dem Schnellzug wieder aus. Mir war ein bisschen schwindelig von so viel Tempo. Ich las auch nicht noch mal, was ich da geschrieben hatte, sondern schnippte das Dokument beiseite und widmete mich anderen Dingen.
Am Tag drauf schrieb ich morgens. Und abends noch mal. Knapp 4.000 Wörter stehen zu Buche.
Natürlich kann man nicht jeden Tag morgens *und* abends schreiben, und ich versuche, mich ein bisschen davor zu schützen, zu viel von mir zu erwarten. (Wenn man 4.000 Wörter/Tag aufs komplette Manuskript runterbricht, dauert der Schreibprozess an sich keine drei Wochen. Schwindelerregend, nicht wahr?) Ich habe mir für dieses Buch zwei Monate gegeben, und diese zwei Monate will ich auch nutzen, damit es gut wird. Danach geht’s zu den Testlesern und dann ins Lektorat, es ist doch ganz einfach. Denke ich.
Täglich schreiben also. So einfach und wohltuend. Zwei Jahre lang war das überhaupt nicht möglich, es war eine Utopie, ein ferner Traum. Jetzt ist es wahr, weil ich es wahr mache. Weil ich es vermag, weil die Geschichten sich aufdrängen, sobald ich mich ihnen wieder öffne.
Und zugleich denke ich – leider! – in einem verqueren Winkel meines Hirns, dass es gut ist, wieder zum Schreiben zu finden. Weil Schreiben auch heilt, und hier ist viel zu heilen, du meine Sterne. Schreiben, täglich schreiben ist vor allem deshalb gut und richtig, weil ich damit ein wenig ausblenden kann, dass andere Lebensbereiche sich nicht so einfach kontrollieren lassen. Und dass sich daran so schnell nichts ändern wird.
Schreiben heilt. Schreiben hält mich im Leben, wenn ich eigentlich nur weg will von aller Verantwortung und allem, das weh tut oder mich anstrengt.
Schreiben heilt.
Hallo,
Ja, es klingt wirklich schwindelerregend – so viele Wörter – die einfach so sprudeln …
Und dabei nicht den Überblick zu verlieren – die Fäden beieinander zu halten …
Und ja – die Zeit – alles braucht seine Zeit.
Manches nur wenig, anderes unendlich viel.
Manchmal verändert die Zeit nur das Licht welches auf die Dinge fällt.
Somit kann aus Tiefschwarz auch helles Grau werden – irgendwann ….
Und bis dahin … ist es gut, wenn ein Überlebensweg da ist …
Fühl Dich gedrückt!
liebe Grüße in die alte Heimat (OWL)
Meike
Hallo Meike,
und sie sprudeln tatsächlich „so einfach“, wenn der Muskel erstmal trainiert ist. Ich hab das Training nur in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt.
Das tiefe Schwarz weicht früher oder später. Ich glaub, anders kann man nicht überleben. (Und guck an, dass auch du aus OWL kommst, wusste ich gar nicht!)
LG, Jules